Company Impact ist nicht Investor Impact
Intuitiv würden die meisten behaupten, dass ein Aktieninvestment die nachhaltige Entwicklung fördert, wenn Aktien von besonders nachhaltigen Unternehmen gekauft werden. Doch die Realität ist komplexer. Um die nachhaltige Entwicklung gezielt mit unseren Investitionen zu unterstützen, müssen wir einen entscheidenden Unterschied verstehen: Es geht darum, den direkten Einfluss des Unternehmens (Company Impact) vom Einfluss zu unterscheiden, den wir als Investorinnen und Investoren auf das Unternehmen ausüben können (Investor Impact).
Überraschenderweise spielt die Selektion der Unternehmen für unsere Wirkung als Investorinnen und Investoren eher geringere Rolle. Im Grunde lässt sich das folgendermaßen erklären: Die Börse ist ein Zweitmarkt. Aktien werden nicht direkt von den Unternehmen, sondern von anderen Anlegenden gekauft. Kaufst eine Anlegerin einem anderen Anleger eine Aktie ab, ist das entsprechende Unternehmen nach den Kauf noch dasselbe wie vorher und ihm steht auch nicht mehr Kapital zur Verfügung. Die Investition ist also erstmal wirkungslos.
Mit dem Kauf einer Aktie werden allerdings gewisse Rechte erworben, die sich nutzen lassen.
Aktionärsrechte
Ein Shareholder – oder auch Aktionär – ist eine Person, ein Unternehmen oder eine Institution, die Anteile oder Aktien an einer Aktiengesellschaft hält und somit Miteigentümer des Unternehmens ist. Dieses Miteigentum gewährt bestimmte Rechte. Das Recht auf Dividenden, welches Aktien zu einer attraktiven Anlageform macht, aber auch das Recht auf Mitbestimmung.
Aktionärinnen und Aktionäre sind zur Teilnahme an den jährlichen Hauptversammlungen berechtigt und können dort ihr Stimmrecht wahrnehmen. Zudem ist es ihnen erlaubt, Anträge bei diesen Versammlungen zu stellen und Informationen von der Unternehmensführung einzufordern.
Voting: Die Stimme erheben
Bei Aktionärsversammlungen steht eine Vielzahl von Entscheidungen zur Abstimmung, die das Unternehmen und seine Aktionär:innen direkt betreffen. Dazu zählen unter anderem die Wahl des Aufsichts- oder Verwaltungsrats, die Genehmigung der Jahresabschlüsse sowie Entscheidungen über die Verwendung des Bilanzgewinns. Ebenso wird über Resolutionen (Anträge) abgestimmt, die vom Management oder den Aktionärinnen und Aktionären zu spezifischen Themen wie Nachhaltigkeitsstrategien, Vergütungspolitik oder der Unternehmensstrategie eingebracht werden.
Die Aktionär:innen, denen letztlich das Unternehmen gehört, bestimmen damit den Kurs. Hierbei gilt: Eine Aktie, eine Stimme. Wenn also die Mehrheit der Shareholder mehr Nachhaltigkeit im Unternehmen fordert, muss das Unternehmen entsprechend handeln.
Fallstudie: Amazon
Quelle: Share Action – List of Resolutions https://shareaction.org/reports/voting-matters-2022/list-of-resolutions
Im Jahr 2022 brachten aktive Aktionärinnen und Aktionäre bei Amazon eine Reihe von Resolutionen ein. Einer dieser Anträge forderte das Unternehmen auf, konkrete Pläne zur Reduzierung von Plastikmüll vorzulegen, scheiterte jedoch knapp mit 48,9 % der Ja- zu 51,1 % der Nein-Stimmen. Die NGO ShareAction identifizierte sechs weitere Resolutionen mit Nachhaltigkeitskontext, die ebenfalls abgelehnt wurden.
Dieses Beispiel offenbart ein grundsätzliches Dilemma nachhaltiger Aktieninvestments: Beschränken sich ethisch motivierte Anlegerinnen und Anleger ausschließlich auf Unternehmen mit einem nachhaltigen Kerngeschäft, entgeht ihnen die Möglichkeit, die nachhaltige Entwicklung in der Mitte der Wirtschaft voranzutreiben. Wie das Beispiel Amazon verdeutlicht, kann so signifikantes Potenzial ungenutzt bleiben.
Engage! Der aktive Unternehmensdialog
Aktives Aktionärstum beschränkt sich nicht auf die jährlichen Hauptversammlungen. Aktionärinnen und Aktionäre können zu jeder Zeit mit der Unternehmensführung in Kontakt treten und Transparenz oder Veränderungen einfordern.
Fallstudie: Engagement der Triodos Bank mit Starbucks
Triodos stellte die unverhältnismäßig hohe CEO-Vergütung bei Starbucks fest. Im Jahr 2019 verdiente der CEO 73-mal mehr als durchschnittliche Mitarbeitende. Triodos engagierte sich für eine gerechtere Gehaltsstruktur und mehr Transparenz. Durch Dialoge erreichte die Bank, dass Starbucks im Jahr 2022 keine Sonderboni in Form von Sofortzahlungen mehr vergibt und mehr Transparenz über die Jahresboni schafft. Auch wurden ESG-Kriterien wie Wasserverbrauch, CO2-Emissionen und Nachhaltigkeit in der Milchproduktion in die Vergütung mit aufgenommen.
Richtig betrieben, ist Engagement für Shareholder der effektivste Weg, um die Transformation von Unternehmen anzustoßen. Wichtig dabei ist, dass strukturiert und nachdrücklich vorgegangen wird. Zeigt ein Unternehmen sich unkooperativ, müssen weitere Schritte und Konsequenzen bis zum öffentlichkeitswirksamen Divestment gegeben sein. Engagements werden deutlich wirksamer, wenn verschiedene Shareholder sich dafür koordinieren und zusammenschließen.
Als Privatanleger:in bist du chancenlos
Der Konzern Amazon ist auf 10.322.000.000 Einzelaktien aufgeteilt, eine davon kostet ca. 138 €. Nun wird zum einen klar, warum Jeff Bezos so reich ist und zum anderen, dass du als Einzelperson niemals so viele Aktien kaufen kannst, dass es sich für dich lohnen würde, an einer Hauptversammlung teilzunehmen.
Um als Kleinanleger:in etwas erreichen zu können, musst du deine Stimmrechte mit denen von anderen bündeln. Das geht am besten, indem du in Aktienfonds/-ETFs von Anlagegesellschaften investierst, die ihre Stimmrechte nachweislich im Sinne der nachhaltigen Transformation nutzen und so deine Interessen vertreten. Da die Informationen über das Stimmverhalten öffentlich sind, kannst du leicht eine fundierte Entscheidung treffen. Der Report „Voting Matters“ der NGO ShareAction hilft dir dabei.
Beim Engagement verhält es sich genauso. Leider lässt sich dieser Punkt deutlich schlechter nachvollziehen, da die verfügbaren Informationen oft nicht ausreichend sind. Positiv zu bewerten ist eine klare Struktur bei den Aktivitäten und das Vorliegen glaubhafter, nachprüfbarer Fallbeispiele. Auch die generelle Ausrichtung der Investmentgesellschaft zum Thema Nachhaltigkeit lässt einen Rückschluss auf die Ernsthaftigkeit von Engagements zu.
Die Titelselektion ist nicht wirkungslos
Eine hohe Nachfrage treibt den Preis einer Aktie in die Höhe, was dem Unternehmen gewisse Vorteile wie eine höhere Kreditwürdigkeit und ein besseres Ansehen verschafft.
Am vielversprechendsten ist der Best-in-Class-Ansatz, nach dem nur Unternehmen in die Anlage aufgenommen werden, die im Vergleich zu anderen aus derselben Branche nachhaltiger sind – beispielsweise die besten 50 %. Auf diese Art kann zusätzlich ein Anreiz zur Transformation für die untere Hälfte geschaffen werden. Das kategorische Ausschließen ganzer Branchen ist nicht wirksam.
Fazit
Bei Aktieninvestments ist das aktive Aktionärstum der förderlichste Aspekt für die nachhaltige Entwicklung und damit wichtiger als die Auswahl nachhaltiger Unternehmen. Willst du die Mechanismen Voting und Engagement als Privatanleger:in nutzen, solltest du dich für Fonds/ETFs entscheiden, die sich in diesen Bereichen nachweislich positiv verhalten.
Nicht an den Gewinnen der Rüstungsindustrie partizipieren zu wollen ist verständlich und gewisse Ausschlüsse schaden deiner Anlage nicht. Grundsätzlich solltest du aber keine strenge Titelselektion anstreben, da das Wirkungspotenzial deiner Anlage sonst abnehmen kann, wie das Amazon-Beispiel zeigt.
Quellen
Can Sustainable Investing Save the World? Reviewing the Mechanisms of Investor Impact – Link
The Investor’s Guide to Impact – Evidence-based advice for investors who want to change the world – Link
Voting Matters 2022 – Are asset managers using their proxy votes for action on environmental and social issues – Link
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