Anleihen und Nachhaltigkeit – es ist kompliziert

Anleihen sind um ein Vielfaches komplizierter als Aktien, können jedoch sehr interessant für ein nachhaltiges (Fonds-)Portfolio sein. Hier bekommst Du einen ersten Überblick, um das Thema besser zu verstehen.

Was ist eine Anleihe?

Eine Anleihe ist ein Finanzinstrument, das eine Form der Schuldverschreibung darstellt (Kategorie Debt). Unternehmen, Regierungen oder andere Organisationen geben Anleihen aus, um Kapital zu beschaffen. Investorinnen und Investoren, die Anleihen kaufen, leihen im Wesentlichen Geld an den Emittenten der Anleihe. Im Gegenzug erhalten sie regelmäßige Zinszahlungen und am Ende der Laufzeit der Anleihe den Nennwert (den geliehenen Betrag) zurück. Anleihen haben in der Regel feste Laufzeiten, die von kurzen Zeiträumen (wie einem Jahr) bis zu mehreren Jahrzehnten reichen können. Die Zinsen, die auf eine Anleihe gezahlt werden, werden als Kupon bezeichnet und können fest oder variabel sein. Der Kupon spiegelt den Zinssatz wider, der auf den Nennwert der Anleihe angewendet wird.

Im Anlagekontext werden Anleihen auch Renten genannt oder man spricht von Bonds.

Wo es bei einer Aktie nur darauf ankommt, welches Unternehmen dahintersteht, sind bei Anleihen zusätzlich der Zins und die Laufzeit relevant.

Rendite und Risiko

Anleihen werden im Verhältnis zu Aktien oft als sicher beschrieben. So pauschal stimmt das jedoch nicht. Wie sicher eine Anleihe ist, hängt hauptsächlich von der Bonität des Emittenten ab. Bei stabilen Staaten und finanzstarken Unternehmen kann man sich relativ sicher sein, dass die Zinsen und der am Laufzeitende fällige Betrag auch gezahlt werden. Diese werden in die Kategorie Investmentgrade (sehr gute Bonität) eingestuft. Bei schwächerer Bonität spricht man von High Yield und bei schlechter Bonität von Junkbonds. Besonders letztere sind logischerweise kein sicheres Investment.

Die Zinsen für die Anleihe hängen von verschiedenen Faktoren ab. Hier die wichtigsten:

Bonität: Die Kreditwürdigkeit des Emittenten ist maßgeblich – ein hoher Zins ist der Ausgleich für ein hohes Risiko.

Marktzins: Der politisch beeinflusste Marktzins legt den Grundwert fest, den die anderen Faktoren beeinflussen.

Laufzeit: Längere Laufzeiten sind in der Regel mit höheren Zinsen verbunden, da sie ein höheres Risiko bergen. Über die Laufzeit kann sich die Bonität des Emittenten verschlechtern oder der Wert der Anleihe wird durch das Zinsumfeld negativ beeinflusst.

Liquidität: Wie Aktien werden auch Anleihen über den Zweitmarkt weitergehandelt. Für kurzfristig Anlegende ist es beispielsweise genauso sinnvoll, eine „alte“ Anleihe mit einem Jahr Restlaufzeit von einem anderen Investor oder einer anderen Investorin zu kaufen, wie eine einjährige Anleihe direkt vom Emittenten. Anleihen sind daher grundsätzlich liquide – man muss eine Anleihe also nicht über die gesamte Laufzeit halten.

Vorsicht, jetzt wird es etwas kompliziert.

Der Verkaufswert einer Anleihe hängt vom Nennwert und dem Zinsumfeld ab. Hat Deine Anleihe einen Nennwert von 1.000 €, eine Restlaufzeit von 2 Jahren und einen Zins von 4%, erwartest Du aus dieser einen Erlös von 1.080 €.

Hat sich weder das Zinsumfeld noch die Bonität des Unternehmens geändert, kannst Du die Anleihe für den Nennwert (1.000 €) an eine andere Anlegerin oder einen anderen Anleger verkaufen.

Liegt der Zins für eine gleichwertige Anleihe heute niedriger, fällt der Verkaufspreis höher als der Nennwert aus.

Wird eine gleichwertige neue Anleihe mit 3% verzinst (macht 1.060 € über 2 Jahre), kannst Du die Differenz, also 20 €, auf den Verkaufspreis aufschlagen. Liegt der Zins gleichwertiger Anleihen allerdings höher, musst Du die Anleihe unter dem Nennwert verkaufen.

Steigende Bonität wirkt sich positiv auf den Preis Deiner Anleihe aus.

Besonders wenn Du in einem niedrigen Zinsumfeld Anleihen mit langer Laufzeit kaufst, ist das Risiko sehr hoch, dass die Zinsen während der Laufzeit wieder steigen und Deine Anleihen an Wert verlieren. Natürlich können die Anleihen bis zum Ende gehalten werden, ohne dass Du einen direkten Verlust machst. Das Geld steht Dir dann allerdings nicht für den Kauf von höher verzinsten Papieren zur Verfügung, was einem indirekten Verlust entspricht.

Nachhaltigkeit und Risiko

Wie Du vielleicht weißt, definieren wir die Nachhaltigkeit einer Anlage über die Wirkung auf die reale Welt. Gibt es einen kausalen Zusammenhang zwischen Deiner Investition und einer positiven Veränderung, ist Deine Investition nachhaltig. Wenn nicht, dann nicht.

Grundvoraussetzung ist also, dass mit dem Geld, welches dem Emittenten geliehen wird, eine nachhaltige Wirtschaftsaktivität oder ein Projekt ermöglicht wird. Die Wirkung Deiner Investition kann allerdings nicht einfach mit der Wirkung von dem, was finanziert wird, gleichgesetzt werden.

Ist die Anleihe wirtschaftlich sehr attraktiv (geringes Risiko, ansprechende Verzinsung), wird es genügend Investierende geben, die diese kaufen. Das heißt im Klartext: Kaufst Du die Anleihe nicht, tut es ein anderer. Die Wirkung Deiner Investition ist also verschwindend gering.

Einen hohen Impact hast Du nur dann, wenn Du Anleihen kaufst, die schwer einen Abnehmer finden, um damit nachhaltige Projekte zu finanzieren. Deine Investition ermöglicht in diesem Fall die Finanzierung.

Dass bestimmte Anleihen sich schwer verkaufen, hat allerdings einen Grund: Sie sind wirtschaftlich nicht attraktiv. Das Risiko ist also für den angebotenen Zins zu hoch. Wir können daher sagen: Je höher die nachhaltige Wirkung einer Anleihe ist, desto höher ist auch ihr Risiko.

Wie bei Aktien ist es also sinnvoll, die Anlage über Investmentfonds breit zu streuen. Die Wirksamkeit von Anleihen mit kurzer Laufzeit und guter Bonität, wie sie in Geldmarktfonds vorkommen, bietet kein erkennbares Wirkpotential.

Besondere nachhaltige Anleihen

Sustainability Linked Bonds

Eine spannende Form von nachhaltigen Anleihen sind Sustainability Linked Bonds. Bei diesen wird ein zu erreichendes Nachhaltigkeitsziel vereinbart, bei dessen Nichterreichung ein Strafzins fällig wird. Das so eingeworbene Geld muss allerdings nicht ausschließlich für diesen Zweck verwendet werden, was den Unternehmen mehr Spielraum bei den Finanzen lässt.

Sustainability Linked Bonds - Fallstudie: Enel

Der italienische Energiekonzern Enel gab 2019 eine Anleihe aus, die an die Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energie im Strommix gekoppelt war. Nach einem unabhängigen Prüfbericht lag dieser bei 45,9%. Bis Mitte 2022 sollte der Anteil auf mindestens 55% erhöht werden, andernfalls wäre ein Strafzins von zusätzlichen 2,5% an die Anlegenden fällig. Enel hat das gesteckte Ziel erreicht. Nach Prüfbericht von Juni 2022 lag der Anteil erneuerbarer Energien bei 58,0%.

Quelle: Enel

Green und Social Bonds

Diese Anleihen werden speziell zur Finanzierung oder Refinanzierung von Projekten mit ökologischen oder sozialen Vorteilen eingesetzt. Das über Green und Social Bonds akquirierte Kapital darf ausschließlich zur Finanzierung nachhaltiger Projekte verwendet werden – sie sind also zweckgebunden. Um Transparenz und Glaubwürdigkeit zu gewährleisten, folgen Green Bonds in der Regel bestimmten Standards und Richtlinien, wie den Green Bond Principles der International Capital Market Association (ICMA). Diese Richtlinien helfen sicherzustellen, dass die Mittel tatsächlich für nachhaltige Projekte verwendet werden und dass es angemessene Berichterstattungs- und Überwachungsverfahren gibt.

Green Bonds - Fallstudie: Henkel

Der deutsche Reinigungsmittel- und Klebstoffhersteller Henkel gab 2020 eine Anleihe aus, die zweckgebunden die ambitionierten Unternehmensziele zur Plastikmüllvermeidung finanzieren sollte. Bis 2025 will Henkel 100% der Verpackungen recyclebar oder wiederverwertbar machen und die verwendete Menge an Kunststoffen aus fossilen Quellen um 50% senken.

Quelle: Henkel

Transformation und Transparenz

Durch den klaren Bezug zur Nachhaltigkeit ermöglichen Sustainability Linked Bonds, sowie Social und Green Bonds, wirkungsorientierte Investitionen in Unternehmen, die kein nachhaltiges Kerngeschäft haben. Standards wie die Green Bond Principles und das unabhängig zertifizierte Reporting zur Zielerreichung bieten die nötige Transparenz.

Auch durch Anleihen kann und sollte also transformativ investiert werden. Die Aussage: „Nur eine Anleihe von einem nachhaltigen Unternehmen ist ein nachhaltiges Investment.“ Stimmt nicht. Auch Anleihenfonds über die enthaltenen Unternehmen zu bewerten, wird der Komplexität der Sache nicht gerecht.

Fazit

Auch über Anleihen(-Fonds) kannst Du mit nachweisbar nachhaltiger Wirkung investieren. Grundsätzlich gilt dabei: Je höher die nachhaltige Wirkung, desto höher Dein Risiko – investiere also am besten über breit diversifizierte Fonds. Auch weniger nachhaltige Unternehmen können nachhaltige Anleihen ausgeben, wenn diese zweckgebunden oder an Nachhaltigkeitsziele gekoppelt sind. Schaue also genau hin, bevor Du eine Anlage in die Greenwashing-Schublade schiebst.

Quellen

The Investor’s Guide to Impact – Evidence-based advice for investors who want to change the world – Link  

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